Aaron Krüger: Als hessischer Gruppenliga-Kicker zur Nationalelf

25. Dezember 2019 · Top-News · von: mag

Es ist der Traum von Tausenden Amateurfußballern: Einmal als Nationalspieler gegen die ganz Großen der Branche auflaufen und sich unter Wettbewerbsbedingungen mit ihnen messen. Für Aaron Krüger, der normalerweise in der Gruppenliga für den SV Wiesbaden seine Fußballschuhe schnürt, wurde dieser Traum tatsächlich wahr, auch wenn es bei den WM-Qualifikationsspielen bisher nur für einen Platz auf der Bank reichte. Wie kam es dazu?

Krüger (li.) vor dem Spiel im riesigen Tianhe-Stadion in Guangzhou. Foto: privat

Krügers Vater Victor Taitano stammt von der im westlichen Pazifik gelegenen Insel Guam, die zu den Außengebieten der USA zählt. Als Soldat der US-Army führte sein Weg auf die Air Base in Wiesbaden-Erbenheim, so lernte er Krügers Mutter Dagmar kennen. Deren Sohn Aaron, der für den SV Wiesbaden spielt, reiste 2016 in die Heimat seines Vaters. Er erkundigte sich im Internet nach einem Verein, um auch im Urlaub seiner Leidenschaft nachzugehen. Er erhielt die Antwort, er solle zum Kicken vorbeikommen, um dann überrascht festzustellen, dass es sich bei den in Blau gekleideten Spielern um eine Sichtungsmaßnahme für die Nationalmannschaft handelte. Krüger durfte im Trainingsspiel mitmachen, doch unter dem damaligen Nationalcoach Darren Sawatzky war erst einmal nicht an eine Nominierung zu denken. Im folgenden Jahr 2017 durfte Guams Nationalelf aufgrund eines Korruptionsskandals keine Spiele austragen.

Doch mit dem Neustart unter dem aus Australien stammenden Trainer Karl Dodd bekam Krüger urplötzlich eine zweite Chance. Der Anruf des Australiers wurde für ihn zum absoluten Glücksfall. „2018 war ich bei einem Trainingslager dabei, habe sogar ein Tor erzielt“, schildert der Wiesbadener mit familiärer Verbindung zu Guam eine Begebenheit, die zur Initialzündung wurde. Guam ist die Nummer 196 der Weltrangliste, nur wenige Spieler der Mannschaft verdienen Geld mit dem Sport. Und auch das Niveau der Eliteliga kommt an beispielweise die Wiesbadener Gruppenliga nicht heran. Aber die Organisation rund um das Team ist top, hier wird professionelle Arbeit abgeliefert.

Am 10. Oktober wurde Krügers Traum zur Realität. Guam trat im riesigen Tianhe-Stadion in Guangzhou vor knapp 40000 Zuschauern gegen die heimische Mannschaft aus dem riesigen Reich an, das seit geraumer Zeit Unsummen in den Fußball pumpt und mit Marcello Lippi einen Trainer auf der Bank hat, der nicht nur fünf italienische Meisterschaften feiern durfte, sondern auch einen Champions-League-Titel und den Gewinn der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland.

Krüger schwärmt noch jetzt von dem Tag: „Die normale Anspannung vor einem Spiel wandelte sich in pure Freude. Ich hatte keine Angst, vor 40000 Zuschauern zu spielen und dieses Glücksgefühl steigerte sich im Laufe des Tages, auch bei der Platzbegehung und dem Aufwärmen“, erinnert er sich. „Aber während des Spiels war ich vollkommen fokussiert und habe das Außenstehende nicht wahrgenommen. Oder dass dort ein Wu Lei von Espanol Barcelona auf dem Platz steht. Da war es einfach nur Fußball, elf gegen elf.“

Die Chinesen zeigte eine große Fußball-Begeisterung, ließen Laola-Wellen durchs weite Rund laufen und schalteten zu Tausenden ihre Handylichter an. „Das war echt völlig verrückt", beschreibt Krüger sein erstes Länderspielerlebnis. Nur einen nahezu leeren Block habe es im Stadion gegeben. Den der Gäste. „Ich glaube, wir hatten nur drei Fans dabei: Den Onkel vom Kapitän, den Präsidenten und vielleicht noch zwei, drei andere, die danach mit uns reden wollten.“

Zur Halbzeit führten die Chinesen bereits 6:0, 7:0 stand es bei Abpfiff. Für ein paar Minuten im Nationaltrikot mit der Nummer 3 hat es für Krüger leider nicht gereicht, auch nicht beim kommenden Spiel in Syrien, das mit 4:0 für die Gastgeber endete. „Das hat mich schon hart getroffen“, räumt Krüger ein. „Man bereitet sich die ganze Zeit im Training und in Sitzungen darauf vor und ist nur einen ganz kleinen Schritt davon entfernt.“ Aber er ließ sich nicht entmutigen. Vorbildlich erkundigte er sich auch direkt beim Co-Trainer, ob es noch etwas zu Verbessern gebe. Krüger erzählt: „Er bekräftige, dass sie vollstens zufrieden mit mir sind, weil ich immer Gas gebe. Ich soll und werde weiter hart an mir arbeiten, besonders in punkto Fitness.“

Für Länderspiel auf Malediven nominiert
Die Belohnung folgte einige Tage später, denn Krüger ist weiterhin fester Bestandteil der guamischen Nationalmannschaft und wurde für das folgende WM-Qualifikationsspiel am 19. November auf den Malediven nominiert. Von 15. bis 20. November war er mit seinem Team dort sein, wo andere Urlaub machen. „Ich habe mich sehr gefreut, wieder dabei zu sein und wenn ich die Chance zu spielen bekomme, will ich sie auch nutzen“, strahlte er und findet abseits des Platzes noch weitere Argumente: „Wer weiß, ob ich je in meinem Leben nach China, Syrien oder auf die Malediven gekommen wäre.“ Und im Urlaubsparadies wurde sein Nationalmannschaftstraum zur Realität: In der 73. Minute wurde er beim Stande von 1:2 eingewechselt, aber auch er konnte die 1:3-Niederlage nicht verhindern. Doch dieses Spiel nimmt ihm keiner mehr: „Ich bin einfach nur überglücklich“, gab er im Anschluss zu Protokoll.