Interview mit Saskia Matheis: „Super, dass es diese Möglichkeit gibt“

25. August 2023 · Top-News · von: mag

Die ehemalige HFV-Auszubildende, Hessenauswahlspielerin und U-Nationalspielerin Saskia Matheis wechselte im letzten Jahr von Eintracht Frankfurt zu Werder Bremen. Im HESSEN-FUSSBALL-Redaktionsgespräch nimmt sie Stellung zu aktuellen Themen wie der FIFA- Frauen-Weltmeisterschaft sowie der neuen Möglichkeit für Frauen in Hessen, in Männermannschaften zu spielen.

Foto: Hansepixx

Hallo Saskia, hast Du Deinen Urlaub genossen?
Ja, ich habe zum ersten Mal seit fünf Jahren meine Freizeit sehr genossen. Bisher war ich eher damit beschäftigt, in der Sommerpause zu studieren. Dieses Semester musste ich keine Kurse mehr belegen. Ich habe mit einigen Mädels aus der Mannschaft einen Roadtrip unternommen. Wir sind über Prag nach Budapest gefahren, dort wohnt eine Spielerin von uns. Wir haben ihre Familie besucht, sind am Balaton geradelt. Zurück sind wir über Wien gefahren und haben viele Städte abgeklappert.

Du hast Deine Ausbildung beim Hessischen Fußball-Verband absolviert. Was hast Du dabei gelernt?

Wenn ich meine gesamte Ausbildungslaufbahn rekapituliere, merke ich, dass es die kaufmännische Ausbildung war, die mir am meisten für mein Leben gelehrt hat. Dinge zu strukturieren, planen und zu organisieren hat mir auch im Studium extrem weitergeholfen. Die Ausbildungsinhalte – auch sämtliche Microsoft Office-Kenntnisse wie Word und Excel -  waren super, helfen weiter und die Menschen in der Geschäftsstelle haben ein harmonisches Umfeld geschaffen. Der Bezug zum Fußball hat das Ganze abgerundet, das war sehr angenehm.

Was hat Dir besonders gut gefallen?
Besonders gut hat mir die extreme Abwechslung gefallen. Beim HFV sind alle Themengebiete abgedeckt: Von der Buchhaltung, die man in jeder Organisation hat, bis hin zum Spielbetrieb, den man nur im Sport vorfindet. Das sind flexible Themen und mit dem ständigen Wechsel der Abteilungen hat man einen sehr breit gefächerten Überblick erhalten. Die Kenntnisse der einzelnen Abteilungen konnte man noch erweitern und spezialisieren, das war superspannend.

Offenbar hast Du noch Kontakt zum HFV und warst kürzlich als Stargast bei einer HFV-Veranstaltung…
Mit den Kollegen der Pass-Stelle, wo ich nach der Ausbildung noch ein Jahr gearbeitet habe, bin ich in engem Austausch und habe sie diesen Sommer besucht, als ich in Frankfurt war. Außerdem pflege ich noch engen Kontakt zu meiner langjährigen Auswahltrainerin Bärbel Wolinski und dem Team in Grünberg. Auch weil ich während meiner HFV-Zeit den Trainerschein gemacht habe. Darüber hat sich ergeben, dass ich bei der „Hesse-WM“ (Bericht Seite 18/19) war, da ich an dem Wochenende ohnehin bei einer Freundin in Gießen zu Besuch war. Das hat viel Spaß gemacht, die Freude auf dem Platz und die Mädels Kicken zu sehen. Dabei springt immer ein bisschen Freude auf mich über, daher nehme ich solchen Veranstaltungen immer gerne mit.

Kürzlich wurde vom HFV beschlossen, dass Frauen in Hessen auch in Männermannschaften spielen dürfen. Was hältst Du davon?
Grundsätzlich bin ich für diese Regelung, um die Option zu haben, bei den Männern oder den Jungs mitspielen zu können. Mir hat es damals superviel Spaß gemacht, mit den Jungs zu spielen und ich fand es sehr schade, dass ich in der U17 nicht mehr dort spielen durfte. Ich kann mir auch vorstellen, dort später mitzukicken, weil es ein angenehmes Umfeld ist. Je nachdem, um welche Spielklasse es geht, kann es auch extrem schwierig sein, gerade in punkto Dynamik und Schnelligkeit. Ich finde es aber super, dass es diese Möglichkeit gibt und kann mir vorstellen, dass das von einigen Frauen genutzt wird und kann mir das für mich auch gut vorstellen. Es geht auch um den Gemeinschaftsaspekt und dieser ist hiermit eröffnet. Ich freue mich, auch mal die ein- oder andere Frau auf dem Feld mit den Männern zu sehen.

Du hast schon in deutschen U-Nationalmannschaften gespielt und dabei auch an großen Turnieren teilgenommen. Wie verfolgt Ihr die aktuell laufende Fußball-WM?
Soweit es möglich ist, verfolge ich trotz der schwierigen Spielzeiten die Weltmeisterschaft. Und man sieht ja auch, dass eine Vielzahl von Menschen die Spiele verfolgen. Ich informiere mich regelmäßig über die Ergebnisse und schaue einige Spiele, soweit das möglich ist. Das Finale findet zum Beispiel während unseres Trainingslagers statt.

Welche Erinnerungen hast Du an internationale Turniere?
Es ist eine spannende und aufregende Zeit. Man gewinnt extrem viele Eindrücke, sowohl auf- als auch abseits des Platzes. Man lernt andere Länder und Kulturen kennen, in diesem Fall auch eine Flora und Fauna. Für die Mädels gibt es dort extrem viel zu sehen.

Was ist die größte Herausforderung bei einem solchen Turnier über einen langen Zeitraum?
Es kommt auf das Land, die Kultur und das Umfeld an: Wenn man an das Hotel gebunden ist, ist es schwierig, aber so erfahre ich es aktuell nicht von der WM. Man hat viel Abwechslung, arbeitet auch sehr viel miteinander, aber man hat auch genügend Freizeit für die Dinge, die einen etwas ablenken oder man kann den Kontakt nach Hause pflegen. Die Länge des Zeitraums ist weniger das Problem, schon eher die Distanz nach Hause mit der Zeitverschiebung, zum Beispiel, wenn man telefonieren möchte.

Spielt es eine Rolle, ob das Turnier zuhause, in Europa oder am anderen Ende der Welt stattfindet?
Extrem schwierig fand ich damals bei der U20-Weltmeisterschaft in Papua- Neuguinea die Klimaumstellung. Man hat die ersten beiden Tage nur damit verbracht, in den Zeitrhythmus zu kommen und mit der Hitze und der Luftfeuchtigkeit umzugehen. Und es bleibt problematisch, wenn man aus klimatischen Gründen erst ab 17 Uhr trainieren kann. Auch wenn in Australien und Neuseeland jetzt Winter ist, wirken doch andere klimatische Bedingungen auf die Mädels ein. Das ist auch eine Belastung, die ein Körper erstmal verarbeiten muss.

Wie bewertest Du die Entwicklung des Frauenfußball in den letzten fünf bis zehn Jahren?
Da hat sich definitiv viel getan. Wenn ich an meine Zeit vor zehn Jahren zurückdenke und mit heute vergleiche, sind das meilenweite Sprünge. Aber es ist nach wie vor eine lange Reise und wir sind noch nicht an dem Ziel angekommen. Die Euphorie der Großveranstaltungen wie der letzten Europameisterschaft muss weitergetragen werden und die Möglichkeiten, die dadurch entstehen, dass viele Mädels Fußball spielen wollen, müssen umgesetzt werden. Da müssen sich Vereine öffnen und die Fußball-Möglichkeiten für Mädchen anbieten. Umgekehrt fehlt teilweise auch die Offenheit, als Mädchen bei den Jungs mitzuspielen, weil es auch schwierig ist, sich zu integrieren, weil die Akzeptanz noch immer nicht vollständig vorhanden ist, sich aber in den letzten Jahren schon wesentlich zum Guten gewendet hat.

Du hast Dich entschieden, von Frankfurt zu Werder Bremen zu wechseln. Was waren Deine Beweggründe?
Ich habe 15 Jahre in Frankfurt beim FFC und Eintracht Frankfurt gespielt und war durch mein Studium (Lehramt Deutsch und Sport für gymnasiale Oberstufe, die Red.) an Frankfurt gebunden, da man dabei nicht einfach das Bundesland wechseln kann. Ich habe mich in Frankfurt immer wohl gefühlt, aber der Punkt war erreicht, an dem ich etwas Neues ausprobieren wollte. Im Studium hatte ich alle Kurse absolviert, also dachte ich mir: ‚Wenn nicht jetzt, dann nie!‘. Außerdem hatte ich nicht viel Spielzeit, was auch an der Motivation kratzt. Ich wollte Stammspielerin in der Bundesliga sein und die Freude am Fußball wiederfinden. Das war auf jeden Fall der richtige Schritt, nach Bremen zu gehen.

Kannst Du Dein Studium an der Frankfurter Goethe-Universität dabei weiterführen?
Im Sportstudium hatte ich viele Präsenzkurse, die ich vor Ort absolvieren musste. Für Deutsch konnte ich mir zwei Kurse aus Bremen anrechnen lassen. Damit bin ich scheinfrei, habe alle Kurse beendet und schreibe aktuell meine Examensarbeit. Außerdem bereite ich mich auf mein Staatsexamen im nächsten Jahr vor.

Wie läuft es sportlich und persönlich für Dich?

Das letzte Jahr war durchwachsen, aber mit einem positiven Ende. Wir haben uns nach der Hinrunde mit sieben Punkten über die Rückrunde sehr gut zurückgekämpft. Die Stimmung im Team war trotz der Anspannung im Abstiegskampf sehr harmonisch. Wir waren alle sehr fokussiert und haben für ein Ziel gekämpft. Das hat mich fasziniert, deswegen fühle ich mich superwohl hier im Team. Auch die Stadt Bremen ist mir ans Herz gewachsen. Sie ist wunderschön und nicht zu groß, man kann in zehn Minuten mit dem Fahrrad überall hinkommen. Man kann viel erleben und die Luft hier ist auch eine andere als in Frankfurt, das freut mich auch. Ich fühle mich also rundum sehr wohl.

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