Zurückgeblättert zum Thema Schiedsrichter: Gewalt gab es (leider) schon immer

23. Dezember 2019 · Top-News · von: Rolf Lutz

„Brutale Angriffe gegen Schiedsrichter häufen sich in letzter Zeit. Vereine beklagen mangelnden Respekt, eine sinkende Hemmschwelle gegenüber dem Einsatz von Gewalt und einem Verfall der Sitten insgesamt. Fair Play scheint eine Tugend von gestern zu sein. Auf dem Fußballplatz gilt mancherorts offensichtlich das Faustrecht.“ Mit diesen Worten kommentierte Martin Lutz in der angesehenen Tageszeitung „Die Welt“ die Ereignisse von Münster im Fußballkreis Darmstadt-Dieburg. Hier hatte ein Spieler nach seiner gelb-roten Karte den Schiedsrichter so brutal attackiert, dass dieser bewusstlos war und in ein Krankenhaus gebracht werden musste.

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Leider gab es in früheren Jahren auch derartige Entgleisungen. Im Archiv des Hessischen Fußball-Verbandes ist beispielsweise belegt, dass im Jahre 1974 ein 23-jähriger Übeltäter aus Bad Hersfeld wegen schwerer Körperverletzung nach einer Attacke gegen den Schiedsrichter zu 400 DM Geldstrafe verurteilt wurde. Das war damals eine drastische Strafe. Der Einzelrichter begründete das harte Urteil mit den Worten: „Tätliche Übergriffe gegen Schiedsrichter, die sich in letzter Zeit bis hinunter zur A- und B-Klasse häufen, können nicht ungestraft hingenommen werden!“ Was war geschehen? Einem Spieler missfiel die Spielleitung so sehr, dass er nach dem Spiel aus drei bis vier Metern Entfernung, dem Schiedsrichter eine leere Bierflasche ins Gesicht warf und ihn schwer im Gesicht verletzte.

Klare Forderungen aus dem Jahre 1974
In dem Text von 1974 heißt es auch: „Es sollte alle Heißsporne warnen, dass zudem in solch einem Falle ein Flaschenwurf sehr teuer kommen kann: Hartes Urteil des Sportgerichts, Geldsstrafe, Gerichtskosten, Zeugengebühren, Anwaltskosten, Schmerzensgeld und Lohnausgleich an den Arbeitgeber des Verletzten. Das summiert sich und ist zudem ein bleibender Denkzettel!“

Der Vorfall in Münster dieser Tage sorgte in der gesamten Republik für Schlagzeilen. In einem Interview mit einer großen deutschen Tageszeitung erinnerte Kreis-Schiedsrichter-Obmann Thorsten Schenk an einen Vorfall, der sich 2012 in Holland ereignet hatte. Hier war ein Schiedsrichter sogar zu Tode geprügelt worden. Entrüstet äußerte sich Schenk: „Dass so etwas vor der eigenen Haustür passiert, das ist eine neue Dimension. (…..) Hat man vor zehn Jahren nach einer gelb-roten Karte den Schiedsrichter noch beleidigt, bezieht er heute Prügel. Es gibt keinen Respekt mehr vor Autoritäten. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das leider auch im Fußball vorkommt.“
Auf die Frage, wie lassen sich solche Vorkommnisse verhindern, sagte Schenk klipp und klar: „Ich erwarte, dass man hier Grenzen durch die Sportgerichtsbarkeit zieht. Es müssen klare Signale durch harte Strafen gesetzt werden. Die Vereine müssen diese Störenfriede in ihre Schranken weisen und die Schiedsrichter selbst in der Bewältigung von Konflikten geschult werden.

Und was wurde 1974 gefordert? Wörtlich heißt es in der Meldung vom Oktober 1974: „Die ganze Schärfe des Gesetzes muss die Übertäter treffen, sei es vor den Rechtsausschüssen oder gar vor den ordentlichen Gerichten.“ An diesem Prinzip hat sich bis heute nichts geändert. Erfreulich in diesem Zusammenhang muss auch die Tatsache bewertet werden, dass HFV-Präsident Stefan Reuß und Schiedsrichter-Obmann Gerd Schugard  spontan die Ereignisse von Münster verurteilt haben.

Modell „Basketball“ auch für den Fußball?
Bleibt die Frage, ob nicht noch mehr getan werden muss. Könnte man beispielsweise nicht das „Modell der Basketballer“ übernehmen? Hier wird die Leistung der Schiedsrichter mit größtem Respekt toleriert. Keine Diskussion nach einem Schiedsrichterpfiff, kein Herummäkeln, kein Protestieren. Alles läuft sportlich fair ab. Warum? Jede Unsportlichkeit, jedes Foul wird am Rande konsequent notiert und nach fünf „Vorkommnissen“ bedeutet dies automatisch, dass der Spieler nicht weiter mitspielen kann. Für das Prinzip „Wehret den Anfängen“ haben die Basketballer möglicherweise eine gute und praktikable Lösung gefunden.